TIEFGARAGEN: INSPEKTION, BAUWERKSDIAGNOSTIK, UNTERSUCHUNGSVERFAHREN

3.0 Inspektion, Bauwerksdiagnostik, Untersuchungsverfahren

Zur Feststellung des Istzustandes sind (bezogen auf eine Tiefgarage) hat sich die nachfolgend angeführte Vorgehensweise bei der Inspektion der Betonbauteile, auf der Grundlage der geltenden Regelwerke ([R] 11, [R] 9, [R] 10) bewährt:

3.1 orientierende Ortsbesichtigung

Im Rahmen einer vorgeschalteten, orientierenden Ortsbesichtigung/Bauwerksbegehung, erfolgt zunächst eine visuelle Inspektion und Voruntersuchungen um einen Überblick zum Objekt und der Erhaltungszustände der Bauteile und Einrichtungen zu gewinnen. Auf der Grundlage der Erkenntnisse wird ein Untersuchungsplan aufgestellt, der alle, zur Inspektion der Tiefgarage erforderlichen, material- und labortechnischen Untersuchungen erhält um gesicherte Erkenntnisse zum Schadensumfang zu erhalten.

3.2 Material- und labortechnische Untersuchungen

In der Regel sind die nachfolgend aufgeführten, materialtechnischen Untersuchungen angezeigt:

  • Visuelle Inspektion der charakteristischen Erhaltungszustände.
  • Charakterisierung der Schadenszustände.
  • Erstellen einer Fotodokumentation.
  • Bestimmung der Karbonatisierungstiefen.
  • Zerstörungsfreie Bestimmung der Betondeckungen.
  • Potentialfeldmessungen zur Feststellung der Korrosionswahrscheinlichkeit an der Bewehrung.
  • Bauteilöffnungen zur Bestimmung der Betondeckungen, der Karbonatisierung und zur Feststellung der Erhaltungszustände an Bewehrung.
  • Dokumentation des Korrosionsstandes freiliegender bzw. frei gelegter Bewehrungsstähle.
  • Bohrmehlentnahmen zur Bestimmung der Chloridgehalte.
  • Bohrkernentnahmen zur Erkundung der Bauteile, Bestimmung der Bauteilfeuchten, Druckfestigkeiten, Karbonatisierungstiefen und ggf. Rissverläufen.

3.3 Untersuchungsverfahren

3.3.1 Feststellung der Karbonatisierungstiefen in Betonbauteilen:

Ein einfaches Verfahren zur Bestimmung der Karbonatisierungstiefe von Beton besteht darin, die pH-Wert-Änderung mit Hilfe einer geeigneten Indikatorlösung nachzuweisen. Für die Beurteilung von Beton hat sich eine alkoholische Phenolphthaleinlösung bewährt, deren Farbe im Bereich von pH > 9 von farblos auf rotviolett umschlägt. An frischen Bruchflächen bleibt beim Aufsprühen der Lösung der carbonatisierte Bereich hell, während sich der nicht carbonatisierte Bereich rotviolett verfärbt. Die Karbonatisierungstiefe dk wird als Abstand der Farbumschlaggrenze zur jeweiligen Betonoberfläche bestimmt.

3.3.1 Feststellung der Karbonatisierungstiefen in Betonbauteilen:

Der kritische korrosionsauslösende Grenzwert wird in den Regelwerken ([R] 9, [R] 11) mit 0,5 M.-% (bezogen auf den Zementgehalt) für Stahlbetonbauteile und 0,2 M.-% für Spannbetonbauteile definiert. Zur Bestimmung des Chlorid-Gehaltes von belasteten Stahlbetonbauteilen werden in i.d.R. in drei verschiedenen Tiefenstufen z.B. 0-2 cm, 2-4 cm und 4-6 cm Bohrmehlproben mit einem speziellen Entnahmegerät entnommen.

Vorrichtung zur tiefengestaffelten Entnahme von Bohrmehlproben

 
Abb. 1: Vorrichtung zur tiefengestaffelten Entnahme von Bohrmehlproben nach [R] 15.

Das Gerät ist mit einem Hohlbohrer bestückt und transportiert das entnommene Prüfgut mittels Unterdruck in einen Sammelbehälter. Der Bohraufsatz ist hierzu mit einer Absaugung verbunden. Das entnommene Material wird bauteilbezogen zugeordnet und zur Bestimmung des Chloridgehaltes labortechnisch untersucht. Hierzu werden die die Proben im Labor getrocknet; der Chloridgehalt wird potentiometrisch nach DIN EN 14629 bestimmt.

3.3.3 Feststellung der Betonüberdeckung in Betonbauteilen

Die punktuelle und/oder flächige Messung der Betondeckung erfolgt über Messverfahren die auf dem Wirbelstrom-Prinzip mit Puls-Induktion beruhen. Die quantitative Messung erfolgt dabei an Teilflächen der Stahlbetonkonstruktion im System „Messen mit Raster“ bzw. als Linien bzw. Flächenmessung

Betondeckungsmessung einer unbeschichteten Bodenplatte

 
Abb. 2: Betondeckungsmessung einer unbeschichteten Bodenplatte nach [R] 12.

Das Gerät ist mit einem Hohlbohrer bestückt und transportiert das entnommene Prüfgut mittels Unterdruck in einen Sammelbehälter. Der Bohraufsatz ist hierzu mit einer Absaugung verbunden. Das entnommene Material wird bauteilbezogen zugeordnet und zur Bestimmung des Chloridgehaltes labortechnisch untersucht. Hierzu werden die die Proben im Labor getrocknet; der Chloridgehalt wird potentiometrisch nach DIN EN 14629 bestimmt.

Die statistische und grafische Auswertung erfolgt am PC. Die Resultate der (flächigen) Betondeckungsmessung werden in Grundrissplänen in farblich skalierten Grafiken illustriert (siehe Abb. 4).

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Abb. 3: Legende zur Betondeckung.

Die statische Auswertung der Ergebnisse erfolgt in Wertetabellen (siehe Abb. 4 und Abb. 5). Die zerstörungsfreie Prüfung der Betondeckung und die erfassten Werte unterliegen messtechnisch- und ausführungsbedingten Abweichungen, weswegen zur „Eichung und Überprüfung“ der zerstörungsfrei ermittelten Betondeckungen, die gemessenen Werte punktuell im Bereich der Stemmstellen mit freigelegter Bewehrung und dem tatsächlichen Überdeckungswert überprüft werden.

Statistische Auswertung der Betondeckungsmessung

 
Abb. 4: Statistische Auswertung der Betondeckungsmessung.

Statistische Auswertung, Häufigkeitsverteilung der Betondeckung

 
Abb. 5: Statistische Auswertung, Häufigkeitsverteilung der Betondeckung.

3.3.4 Potentialfeldmessung, Feststellung der Betonüberdeckung in Betonbauteilen, [R] 13, [R] 14.

Die Potentialfeldmessung erlaubt eine nahezu zerstörungsfreie Prüfung des Korrosionszustandes der Bewehrung. Die Messung erfolgt als Spannungsmessung zwischen einer Referenzelektrode (z.B. Kupfer/Kupfersulfat Cu/CuSO4 (CSE)) mit bekanntem Potential, die auf die Betonoberfläche aufgesetzt wird, und der Bewehrung, die punktuell freigelegt und mit dem hochohmigen Voltmeter verbunden ist. In Bereichen mit korrodierender Bewehrung unterscheidet sich das Potential um mehrere 100 mV von Bereichen mit nicht korrodierender Bewehrung (passive Bereiche). Im Allgemeinen reicht das Potential von nicht korrodierter Bewehrung von +200mV CSE (trockener, karbonatisierter, chloridfreier Beton) bis zu -200mV CSE (bei chloridfreiem, feuchten Beton). Das Potential von korrodierender Bewehrung liegt dagegen in negativeren Wertebereichen

  • bis -300 mV CSE bei karbonatisierungsinduzierter
  • und bis -600mV CSE bei chloridinduzierter Bewehrungskorrosion

wobei sich diese Werteniveaus je nach Betonfeuchte, je nach Grad der oberflächigen Karbonatisierung des Betons und der daraus resultierenden Veränderung des Betonwiderstandes verschieben können. Korrosionsstellen (Makrozellenkorrosion), die nicht elektrolytisch (Beton) zur Messoberfläche verbunden sind oder räumlich „zu weit“ entfernt sind, können nicht detektiert werden. Eine erste Bewertung des Korrosionszustandes der Bewehrung kann anhand des gemessenen Potentials (Potentialdifferenz) entsprechend der nachstehenden Einteilung erfolgen.
Potentialdifferenz U [mV] gegen Cu/CuSO4 → Korrosionswahrscheinlichkeit [%]
U <-350 mV → > 95 %
U -350 mV bis -200 mV → ca. 50 %
U >-200 mV → < 5 %

Die Resultate der Potentialfeldmessung werden in Grundrissplänen nach dem Ampelprinzip (grün-gelb-rot), in farblich skalierten Grafiken (Äquipotentiallinien) illustriert (siehe Abb. 6).

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Abb. 6: Potentialfeldplan nach [R] 13, [R] 14.

Farbskalierung Potentialwerte

Die Farbabstufung der Potentialwerte erfolgt in farbig dargestellten Schrittweiten/ Grenzwerten von 50mVolt. Ein Potentialfeldplan dient ausschließlich der orientierenden Darstellung der Potentialfeldgrafiken

Grafische Darstellung der Potentialwerte

 
Abb. 7: Grafische Darstellung der Potentialwerte.

Farbskalierung Potentialwerte
Statistische Auswertung der Potentialwerte

 
Abb. 8: Statistische Auswertung der Potentialwerte.

Statistische Flächenverteilung [%]
Statistische Flächenverteilung der Potentialwerte

 
Abb. 9: Statistische Flächenverteilung der Potentialwerte.

3.3.5 Bauteilöffnungen zur Überprüfung der Messergebnisse

Zur Verifizierung der Messergebnisse und der ergänzenden Baustoffprüfungen wird die Bewehrung an ausgesuchten Inspektionsstellen im Zuge der Inspektion sukzessive sondiert. Im Bereich der Stemmöffnungen wird die Bewehrung zur Feststellung des Korrosionszustandes und des Korrosionsgrades gem. SIA 269/2 freigelegt.

Bauteilöffnung zur Überprüfung der zerstörungsfrei gemessenen Werte

 
Abb. 10: Bauteilöffnung zur Überprüfung der zerstörungsfrei gemessenen Werte.

Zur Aufklärung der Schädigungsmechanismen und Schädigungsursachen werden zusätzliche Baustoffkenndaten, wie z.B.

  • Bewehrungsdurchmesser
  • Betonüberdeckung
  • Chloridgehaltsbestimmung
  • Karbonatisierungstiefe
  • optische Auffälligkeiten oder Schäden (Risse, Ausblühungen, Strukturdefekte o.ä.)
3.3.5 Weitere Untersuchungsmethoden

Haftzugprüfungen

Beton, Stahlbeton und Spannbeton

 
Abb. 11: Haftzuggerät mit Digitalanzeige.

Beton, Stahlbeton und Spannbeton

 
Abb. 12: Blick auf den Prüfstempel zur Bestimmung der Bruchart. Der Abreiswert beträgt 1,16 MPa.

Diagramm der Haftzugprüfung

 
Abb. 13: Diagramm der Haftzugprüfung.

3.3.5 Bewertung der material- und labortechnischen Untersuchungsergebnisse

Die Bewertung der gewonnenen Erkenntnisse und Messergebnisse erfordert ein hohes Maß an Sachkunde und bedarf einer langjährigen Berufserfahrung. Letztlich stehen die Ergebnisse in Korrelation zueinander und bieten, richtig interpretiert, eine belastbare Grundlage für die Planung von Instandsetzungsmaßnahmen

Auszug aus einer zusammenfassenden Darstellung der Mess- und Sondierungsergebnisse

 
Abb. 14: Auszug aus einer zusammenfassenden Darstellung der Mess- und Sondierungsergebnisse.

Regelwerke und Literatur

[R] 1 Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton, Teil 2: Beton, Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität, Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1, 2008-8
[R] 2 Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton, Teil 3: Bauausführung, 2012-03
[R] 3 DIN EN 1992-1-1, Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau; Deutsche Fassung EN 1992-1-1:2004 + AC:2010, 2011-01
[R] 4 DBV-Merkblatt: Parkhäuser und Tiefgaragen, 2010-09
[R] 5 DBV-Merkblatt: Parkhäuser und Tiefgaragen, 2018-01
[R] 6 DAfStb, Heft 525, Erläuterungen zu DIN 1045-1, 2010
[R] 7 DAfStb, Wasserundurchlässige Bauwerke, WU-Richtlinie, 2003-11
[R] 8 DAfStb, Berichtigung zur DAfStb-Richtlinie, Wasserundurchlässige Bauwerke, WU-Richtlinie, 2006-03
[R] 9 Richtlinie für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen, Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, DAfStb, 2001-10
[R] 10 Berichtigungen zur DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ 1. Berichtigung, Ausgabe Januar 2002, 2. Berichtigung, Ausgabe Dezember 2005
[R] 11 Instandhaltung von Betonbauteilen (Instandhaltungs-Richtlinie), Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, DAfStb, Entwurf 2016-06.
[R] 12 DGZfP: Merkblatt zur zerstörungsfreien Betondeckungsmessung und Bewehrungsortung an Stahl- und Spannbetonbauteilen, 04-2014
[R] 13 Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein: Merkblatt SIA 2006, „Durchführung und Interpretation der Potentialfeldmessung an Stahlbetonbauten“, Zürich Ausgabe 2013
[R] 14 DGZfP-Fachausschuss für Zerstörungsfreie Prüfung im Bauwesen, Unterausschuss Korrosionsnachweis für Stahlbeton: Merkblatt B3 „Elektrochemische Potentialmessungen zur Detektion von Bewehrungsstahlkorrosion“, April 2008, überarbeitete Fassung
[R] 15 Deutscher Ausschuss für Stahlbeton DAfStb: Anleitung zur Bestimmung des Chloridgehaltes von Beton, Heft 401, Beuth, Berlin/Köln 1989
[R] 16 DIN EN 14630, Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren - Bestimmung der Karbonatisierungstiefe im Festbeton mit der Phenolphthalein-Prüfung; Deutsche Fassung EN 14630:2006, 2007-01
[R] 17 DIN EN 1504, Teile 1-9 „Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken, Definition, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität“
[R] 18 DIN V 18026: Oberflächenschutzsysteme für Beton aus Produkten nach DIN EN 1504-2: 2005-03 mit besonderen Eigenschaften, 2006-06
[R] 19 Wierig, H.-J.: Longtime Studies on the Carbonation of Concrete under normal outdoor Exposure. Proceedings of the RILEM Seminar on the Durability of Concrete Structures under Normal outdoor Conditions, 26th-29th March 1984, Hannover, 239–249
[R] 20 Meier: Der späte Zwang als unterschätzter -aber maßgebender Lastfall für die Bemessung, Beton- und Stahlbetonbau, 4-2012
[R] 21 Claus Flohrer: Grundlagen der WU-Konstruktion – von der Bedarfsermittlung zur optimalen Bauweise, Fachartikel der Bausachverständige 2016-01
[R] 22 Voß: Bestimmung der korrosionsauslösenden Chloridgehalte zur Bewertung der chloridinduzierten Stahlkorrosion von Stahlbetonbauteilen, Fachartikel der Bausachverständige 2019-03
[R] 23 Michael Vogel, Engin Kotan, Frank Dehn Zustandserfassung eines Tunnelbauwerks vor dem Hintergrund der karbonatisierungs ­ und chloridinduzierten Bewehrungskorrosion, Fachartikel der Bausachverständige 2019-03