DAUERHAFTIGKEIT VON TIEFGARAGEN, KORROSIONSAUSLÖSENDE PROZESSE, TYPISCHE SCHADENSBILDER

Einleitung:

Tiefgaragen zählen zu den Ingenieurbauten die neben mechanischen und dynamischen Einwirkungen, massiven Beaufschlagungen von Feuchtigkeit und Taumitteln (Streusalze im Winter) ausgesetzt sind.:

Korrosionsauslösende Prozesse:

Die Stahlbewehrung in Bauwerken aus Stahlbeton ist im alkalischen Zementsteinmilieu des Betons gegen Korrosion geschützt. Der Grund hierfür besteht darin, dass sich bei pH-Werten >10 eine für Sauerstoff und Wasser nahezu undurchlässige Passivierungsschicht auf der Oberfläche des Bewehrungsstahls ausbildet [R] 22. Die Passivierung der Bewehrung kann durch die Veränderung des pH-Werts durch die Einwirkung von Tausalzen/Chloriden (siehe 1.0 Chloridinduzierte Korrosion der Bewehrung) oder aufgrund der Karbonatisierung (siehe induzierte Korrosion der Bewehrung), durch das Absinken des PH-Wertes, aufgehoben werden. Treten dann Wasser und Sauerstoff hinzu, korrodiert (rostet) der Bewehrungsstahl, wobei es in der Folge zu einer Volumenvergrößerung und damit zur Bildung von Betonabplatzungen oberhalb des Bewehrungsstahls kommt.

Betonabplatzungen an einer Stahlbetonstütze infolge der Korrosion des Bewehrungsstahls. Typische, flächige Betonabplatzungen

 
Abb. 1: Betonabplatzungen an einer Stahlbetonstütze infolge der Korrosion des Bewehrungsstahls. Typische, flächige Betonabplatzungen.

1.0 Chloridinduzierte Korrosion der Bewehrung

Während es sich bei der karbonatisierungsinduzierten Stahlkorrosion (2) ein flächig auftretendes Phänomen handelt (siehe 1), läuft die chloridinduzierte Stahlkorrosion häufig in lokal begrenzten Bereichen ab (sog. Lochfraßkorrosion, siehe 2).

Typische Narben einer aktiven Lochfraßkorrosion

 
Abb. 2: Typische Narben einer aktiven Lochfraßkorrosion.

Die Zerstörung der Passivschicht geschieht bei der chloridinduzierten Bewehrungskorrosion dadurch, dass die am Bewehrungsstahl befindlichen Chloride einen kritischen korrosionsauslösenden Gehalt erreichen bzw. überschreiten. Hierbei wird die Schutzschicht am Stahl lokal zerstört und löst eine lokale Lochfraß- oder Muldenkorrosion aus. Bei der chloridinduzierten Korrosion bildet sich ein elektrochemisches Element, das durch örtlich begrenzte kleine Anoden (Stahl) und einen demgegenüber relativ großen Kathodenbereich (Beton) gekennzeichnet ist. In der Folge kommt es zu einer punktuell, rasch fortschreitenden Auflösung des Betonstahls (siehe Typische Narben einer aktiven Lochfraßkorrosion. Die chloridinduzierte Stahlkorrosion verläuft nur dann in relevanter Geschwindigkeit ab, wenn der kritische korrosionsauslösende Chloridgehalt auf Höhe des Bewehrungsstahls überschritten wird und die weiteren Voraussetzungen für die Stahlkorrosion (z.B. Zutritt von Feuchtigkeit und Sauerstoff) gegeben sind.
Zur Bestimmung der Gehalte der in den Beton eingedrungenen Chloride sind Proben (Bohrmehl oder Bohrkernscheiben) in unterschiedlichen Tiefen von der Betonoberfläche aus zu entnehmen.

2.0 Karbonatisierungsinduzierte Korrosion der Bewehrung

In der Regel sind Betonbauwerke einer ständigen Beanspruchung durch das in der Luft befindliche Kohlendioxid (CO2 ) ausgesetzt. Die CO2 -Konzentration in der Atmosphäre liegt bei ca. 0,04 Vol.-%. Das im Porenwasser des Betons gelöste Calciumhydroxid ist für die hohe Alkalität des Betons (pH-Werte von 12,5 bis 13,5) verantwortlich. In diesem Zustand liegt eine mikroskopisch dünne Oxidschicht (Passivschicht) auf der Stahloberfläche vor. Dringt jedoch Kohlendioxid aus der Umgebungsluft in den Beton ein, so wird das vorliegende Calciumhydroxid zu Calciumcarbonat umgewandelt mit der Folge einer pH-Wert Absenkung (pH-Wert ≈ 9). Dringt die Karbonatisierungsfront bis zur Bewehrung vor, wird die Passivschicht des Bewehrungsstahls zerstört und es kommt bei Anwesenheit ausreichender Feuchtigkeit und Sauerstoff an der nun „depassivierten“ Bewehrung zur Korrosion. Diese Korrosion führt i.d.R. zu einem gleichmäßigen flächigen Abtrag (siehe Abb. 2, Abb. 3), bei dem Anoden und Kathoden nah beieinanderliegen.

Typische Betonabplatzungen infolge der Karbonatisierung des Betons

 
Abb. 3: Typische Betonabplatzungen infolge der Karbonatisierung des Betons.

Typisches Schadensbild, karbonatisierungsinduzierte Korrosion der Bewehrung

 
AAbb. 4: Typisches Schadensbild, karbonatisierungsinduzierte Korrosion der Bewehrung.

Die dabei entstehenden Korrosionsprodukte (Rost) nehmen ein größeres Volumen als der ursprüngliche Stahl ein, sodass ein Sprengdruck erzeugt wird, der neben einer Rissbildung schließlich zum Absprengen der Betonüberdeckung führen kann. Die Feuchtigkeit im Porensystem des Betons ist ein wesentlicher Einflussfaktor, der den Karbonatisierungsfortschritt bedingt. Dieser kommt bei sehr trockenem Beton oder bei Betonen, die wassergesättigt sind, nahezu zum Erliegen. Aus diesem Grund ist die Karbonatisierung für freibewitterte Bauwerke im Beton stark abhängig von den Witterungsbedingungen, denen ein Betonbauteil ausgesetzt ist. Dies ist zwar i.d.R. für die hier zur Rede stehenden, erdberührten Tiefgaragen von untergeordneter Bedeutung, sei der Vollständigkeit halber jedoch erwähnt: Die in Deutschland vorherrschende Windrichtung – die sogenannte Wetterseite – reicht von Nordwest bis Südwest. Hier sind die größten Schlagregenbeaufschlagungen und damit die geringsten Karbonatisierungstiefen im Beton zu erwarten. Demgegenüber gehören die Nord- und Ost-Fassaden zu den der Schlagregenrichtung abgewandten Seiten. Hier ist i.d.R. mit den größten Karbonatisierungstiefen im Beton zu rechnen [R] 23.

Typische Betonabplatzungen infolge der Karbonatisierung des Betons

 
Abb. 5: Abhängigkeit der Endkarbonatisierungstiefe vertikaler Bauteile von Ihrer Orientierung.

Die exemplarischen Berechnungen der Endkarbonatisierungstiefe vertikaler Bauteile verdeutlichen, dass nach Osten orientierte Bauteile eine etwa doppelt so große Karbonatisierungstiefe aufweisen als gleichartige nach Westen ausgerichtete Bauteile [R] 19.

Nach Wierig [R] 19 sind die größten Karbonatisierungstiefen bei den in Südrichtung orientierten Betonbauteilen zu erwarten. Demgegenüber weisen Betonbauteile, die nach Westen ausgerichtet sind, die geringsten Karbonatisierungstiefen auf.

Regelwerke und Literatur

[R] 1 Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton, Teil 2: Beton, Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität, Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1, 2008-8
[R] 2 Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton, Teil 3: Bauausführung, 2012-03
[R] 3 DIN EN 1992-1-1, Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau; Deutsche Fassung EN 1992-1-1:2004 + AC:2010, 2011-01
[R] 4 DBV-Merkblatt: Parkhäuser und Tiefgaragen, 2010-09
[R] 5 DBV-Merkblatt: Parkhäuser und Tiefgaragen, 2018-01
[R] 6 DAfStb, Heft 525, Erläuterungen zu DIN 1045-1, 2010
[R] 7 DAfStb, Wasserundurchlässige Bauwerke, WU-Richtlinie, 2003-11
[R] 8 DAfStb, Berichtigung zur DAfStb-Richtlinie, Wasserundurchlässige Bauwerke, WU-Richtlinie, 2006-03
[R] 9 Richtlinie für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen, Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, DAfStb, 2001-10
[R] 10 Berichtigungen zur DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ 1. Berichtigung, Ausgabe Januar 2002, 2. Berichtigung, Ausgabe Dezember 2005
[R] 11 Instandhaltung von Betonbauteilen (Instandhaltungs-Richtlinie), Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, DAfStb, Entwurf 2016-06.
[R] 12 DGZfP: Merkblatt zur zerstörungsfreien Betondeckungsmessung und Bewehrungsortung an Stahl- und Spannbetonbauteilen, 04-2014
[R] 13 Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein: Merkblatt SIA 2006, „Durchführung und Interpretation der Potentialfeldmessung an Stahlbetonbauten“, Zürich Ausgabe 2013
[R] 14 DGZfP-Fachausschuss für Zerstörungsfreie Prüfung im Bauwesen, Unterausschuss Korrosionsnachweis für Stahlbeton: Merkblatt B3 „Elektrochemische Potentialmessungen zur Detektion von Bewehrungsstahlkorrosion“, April 2008, überarbeitete Fassung
[R] 15 Deutscher Ausschuss für Stahlbeton DAfStb: Anleitung zur Bestimmung des Chloridgehaltes von Beton, Heft 401, Beuth, Berlin/Köln 1989
[R] 16 DIN EN 14630, Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren - Bestimmung der Karbonatisierungstiefe im Festbeton mit der Phenolphthalein-Prüfung; Deutsche Fassung EN 14630:2006, 2007-01
[R] 17 DIN EN 1504, Teile 1-9 „Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken, Definition, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität“
[R] 18 DIN V 18026: Oberflächenschutzsysteme für Beton aus Produkten nach DIN EN 1504-2: 2005-03 mit besonderen Eigenschaften, 2006-06
[R] 19 Wierig, H.-J.: Longtime Studies on the Carbonation of Concrete under normal outdoor Exposure. Proceedings of the RILEM Seminar on the Durability of Concrete Structures under Normal outdoor Conditions, 26th-29th March 1984, Hannover, 239–249
[R] 20 Meier: Der späte Zwang als unterschätzter -aber maßgebender Lastfall für die Bemessung, Beton- und Stahlbetonbau, 4-2012
[R] 21 Claus Flohrer: Grundlagen der WU-Konstruktion – von der Bedarfsermittlung zur optimalen Bauweise, Fachartikel der Bausachverständige 2016-01
[R] 22 Voß: Bestimmung der korrosionsauslösenden Chloridgehalte zur Bewertung der chloridinduzierten Stahlkorrosion von Stahlbetonbauteilen, Fachartikel der Bausachverständige 2019-03
[R] 23 Michael Vogel, Engin Kotan, Frank Dehn Zustandserfassung eines Tunnelbauwerks vor dem Hintergrund der karbonatisierungs ­ und chloridinduzierten Bewehrungskorrosion, Fachartikel der Bausachverständige 2019-03