TIEFGARAGEN ALS WU-KONSTRUKTIONEN (WEISSE WANNEN), PLANUNGSGRUNDLAGEN

Parkhäuser und Tiefgaragen sind häufig Teile von Wohn- bzw. Gewerbebauten und werden, üblicherweise, von den am Bau Beteiligten nach den Entwurfsgrundsätzen des Hochbaus geplant und errichtet. Aus juristischer Sicht sind integrierte Tiefgaragen jedoch als eigenständige Ingenieurbauten zu bewerten (nach KG, Urt. v. 19.09.2005 - 10 U 24/01; BGH, Beschluss vom 08.02.2007 (VII. ZR 228/05). Parkhäuser werden zweifelsfrei in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure den Ingenieurbauwerken zugeordnet.

Parkbauten erleiden, im Gegensatz zu üblichen Hochbauten, mechanische Belastungen und Feuchteeintrag aus Parkverkehr, den damit verbundenen Chlorideintrag über eingeschleppte Streusalze und, je nach Konstruktion, jahreszeitlich bedingte Temperaturbelastungen. Die Beanspruchungen auf diese Bauwerke sind damit vergleichbar mit den Einwirkungen auf Verkehrsbauten, wie z.B. Brücken, Tunneln und Stützmauern.

Bei der Mehrzahl der Wohn- bzw. Gewerbebauten sind die Tiefgaragen in das Erdreich eingebettete Bauteile, die entweder eine hautförmige Abdichtung („Schwarze Wanne“) benötigen oder, wie heutzutage üblich, als wasserundurchlässige Bauwerke („Weiße Wanne“) ausgeführt werden. Werden WU-Bauwerke gleichzeitig für den Parkverkehr genutzt, ergeben sich zusätzliche Anforderungen an die Dauerhaftigkeit des Bauwerks. Das DBV-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ [R] 1 greift auf die Entwurfsgrundsätze der WU-Richtlinie [R] 9 zurück und stellt das Bindeglied zur Auslegung von Parkbauten in WU-Bauweise dar.

Aufklärung des Bauherrn, Planungsschritte

Der Bauherr muss im Rahmen einer Bedarfsplanung, unter Mithilfe des Objektplaners, die gewünschten Gebrauchseigenschaften und Nutzungsanforderungen der Tiefgarage innerhalb des WU-Betonbauwerks festlegen. Die Ergebnisse dienen dann als Grundlage für die weiteren planerischen Festlegungen. Auf der Basis dieses formulierten und dokumentierten Bedarfs ist das WU-Parkbauwerk so zu planen und auszuführen, dass die Ziele des Bauherrn in Bezug auf die Nutzung ausreichend sicher erreicht werden.

Die Planung eines WU-(Parkbau)-werks ist sodann auf dieser Grundlage vom Objektplaner unter Beteiligung von Fachplanern durchzuführen. Entscheidend ist, dass die technischen Verantwortlichkeiten aller Planungsbeteiligten sowie der Koordinierungsumfang und der Informationsaustausch fur die einzelnen Teilbereiche der Planung (Entwurfs- und Ausführungsplanung) zu Projektbeginn verbindlich festgelegt werden.
In der seit 2017 geltenden WU-Richtlinie [R] 9 wird in Abschnitt 4 ein Leitfaden für die „mindestens“ erforderlichen Planungsschritte vorgegeben:

  • Technische Baubestimmungen zur Instandhaltung;
  • Instandhaltungskonzepte (inkl. Wartungs- und Inspektionskonzepte), Instandhaltungsplanung;
  • Instandsetzungsplanung (inkl. Instandsetzungsprinzipien und -verfahren);
  • -Ausführung von Instandsetzungsmaßnahmen;
  • Grundsätze der Qualitätssicherung in der Instandhaltung;
  • Grundanforderungen an Bauwerke und Bauteile und resultierende Merkmale für
  • Instandsetzungsstoffe und -systeme;
  • Schadensdiagnose;
  • Beurteilung der Standsicherheit (Brandschutz, Bauphysik und ggf. Verkehrssicherheit);
  • Beurteilung des Betonuntergrundes;
  • Verfahren der Untergrundvorbereitung, Verbundverhalten;
  • Betoneigenschaften, Betonkorrosion;
  • Bewehrungseigenschaften, Bewehrungskorrosion.

Bei der Planung von Parkbauten sind die Besonderheiten der Nutzung (privat oder öffentlich, wenig oder stark frequentiert usw.) zu berücksichtigen, über die der Bauherr vom Planer umfassend aufgeklärt und hingewiesen werden muss. Das Merkblatt [R] 7 behandelt in erster Linie die Anforderungen an die Planung und Ausführung neuer Parkbauten. Bei Bestandsbauten sind Kompromisse bezüglich Nutzungsanforderungen, geplanter (Rest-)Nutzungsdauer, Instandsetzungs- und Betriebskosten, optischem Erscheinungsbild usw., unvermeidlich und der Regelfall.

Neben diesen Anforderungen ergeben sich darüber hinaus standortbedingte Belastungen an das Bauwerk, wie z.B. die vorliegende Wasserbelastung (Grundwasser). Die DAfStb-Richtlinie „Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton (WU-Richtlinie) [R] 9 legt detaillierte Anforderungen an die Planung und Ausführung dieser Bauwerke (sog. weiße Wanne) fest. Die Regelungen der Richtlinie stellen eine Ergänzung zum Nachweis der Gebrauchstauglichkeit dar. Die Anwendung der WU-Richtlinie ist daher bauvertraglich zu vereinbaren und mit den Anforderungen des DBV-Merkblatts [R] 7 in Einklang zu bringen. Der Anwendungsbereich beinhaltet Bodenplatten und Wände sowie sinngemäß auch Decken, Dächer, Behälter und Becken.

Um die Wasserundurchlässigkeit einer WU-Konstruktion gegenüber den beschriebenen Beanspruchungen sicherzustellen, unterscheidet die WU-Richtlinie drei Entwurfsgrundsätze (EGS):

Entwurfsgrundsatz a) Vermeidung von Trennrissen:
Durch konstruktive, betontechnische und ausführungstechnische Maßnahmen soll das Auftreten von Trennrissen vermieden werden.
Entwurfsgrundsatz b) Begrenzung der Trennrissbreite:
Die rechnerisch zu erwartenden Zugspannungen infolge behinderter Verformung im jungen und im späten Alter (Früh- und Spätzwang) werden durch Bewehrungsmenge und -führung so beherrscht, dass die daraus zu erwartenden Risse in ihrer Breite so begrenzt werden, dass die Voraussetzungen für eine mögliche Selbstheilung gegeben sind.
Entwurfsgrundsatz c) Zulassen und planmäßiges Abdichten von Trennrissen:
Bei dem Entwurfsgrundsatz c) werden Trennrisse zugelassen, bei denen eine Selbstheilung nicht erwartet wird und diese Risse deshalb zusätzlich dauerhaft abgedichtet werden müssen.

In Abhängigkeit von den o.g. Entwurfsgrundsätzen wird im DBV Merkblatt [R] 2 das Beschichtungssystem festgelegt.

Wasserundurchlässige Bodenplatten von Tiefgaragen sind aus Sicht des Verfassers [R] 18 als hochwertig genutzte Bauteile einzustufen, weil aus Dauerhaftigkeitsgründen Risse nur über eine Winterperiode Chlorideintrag ausgesetzt sein dürfen. Würde dafür der Entwurfsgrundsatz b) – Begrenzung der Rissbreite – angesetzt, würde sich insbesondere die Anzahl der nachträglich abzudichtenden Risse deutlich erhöhen mit der Folge, dass

  • Ein Injizieren der planmäßigen Risse mit kleiner Rissweite nicht zuverlässig möglich ist.
  • Eine flächige Abdichtung der Risse mit einem rissüberbrückenden System(beispielsweise mit Oberflächenschutzsystem OS 11) in Unkenntnis der Rissweitenänderungen nur bedingt möglich ist.

Sind Bauteiloberflächen uneingeschränkt zugänglich, könnten aus technischer Sicht alle Entwurfsgrundsätze angewendet werden, da auch bei nicht sofortiger Dichtheit jederzeit nachträglich abdichtende Maßnahmen ergriffen werden können. Aus wirtschaftlicher Sicht ist ein Einsatz des Entwurfsgrundsatzes b) – Begrenzung der Rissweite – nur dann sinnvoll, wenn der Nutzer akzeptiert, dass keinerlei Vorhersage über den Zeitraum getroffen werden kann und Risse auch über einen langen Zeitraum wasserführend oder stark nässend sein können, bis die Selbstheilung einsetzt. Kann keine Selbstheilung erwartet werden (beispielsweise wegen alternierender Wasserstände, kalklösender Kohlensäure im Grundwasser oder wegen nicht auszuschließender temperaturbedingter Rissweitenänderung), darf der Entwurfsgrundsatz b) nicht verwendet werden. Wird vom Nutzer verlangt, jeden wasserführenden Riss sofort durch abdichtende Injektion zu schließen, ohne die Selbstheilung abzuwarten, darf ebenfalls der EG b) nicht zugrunde gelegt werden, da die dann erforderliche Injektion der schmalen Risse nicht ausreichend sicher zum Ziel führt.

Zusammenfassend ist festzustellen:
  • Die Art der Nutzung muss in der Bedarfsermittlung gemeinsam mit dem Bauherrn erfolgen.
  • Die Einstufung, ob eine hochwertige Nutzung vorliegt, obliegt dem koordinierenden Architekten.
  • Die beteiligten Planer sind vom koordinierenden Planer über die Nutzung und die daraus folgenden Anforderungen an Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit aufzuklären.
  • Den Entwurfsgrundsatz (a,b,c) legt im Regelfall der Tragwerksplaner fest. Seine Aufgabe ist es deshalb, dem Bauherren die Folgen seiner Planung deutlich zu machen und dies schriftlich zu dokumentieren. Dies betrifft insbesondere die Kosten des geeigneten Beschichtungssystems in Verbindung mit dem späteren Wartungsaufwand und den daraus resultierenden Folgekosten.
  • Das Entwurfsprinzip b (=viele verteilte kleine Risse) setzt die permanente Zugänglichkeit des betroffenen Bauteils voraus, da weder der Zeitpunkt der Entstehung eines Risses, noch dessen Lage festgelegt werden kann. Dies hat insbesondere negative Auswirkungen auf das Abnahmeverhalten von Wohnungseigentümergemeinschaften, wenn auf diesen Sachverhalt nicht schon in Kaufverträgen eingegangen wird.
Regelwerke und Literatur

[[R] 3 Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton, Teil 2: Beton, Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität, Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1, 2008-8
[R] 4 Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton, Teil 3: Bauausführung, 2012-03
[R] 5 DIN EN 1992-1-1, Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau; Deutsche Fassung EN 1992-1-1:2004 + AC:2010, 2011-01
[R] 6 DBV-Merkblatt: Parkhäuser und Tiefgaragen, 2010-09
[R] 7 DBV-Merkblatt: Parkhäuser und Tiefgaragen, 2018-01
[R] 8 DAfStb, Heft 525, Erläuterungen zu DIN 1045-1, 2010
[R] 9 DAfStb, Wasserundurchlässige Bauwerke, WU-Richtlinie, 2017
[R] 10 DAfStb, Berichtigung zur DAfStb-Richtlinie, Wasserundurchlässige Bauwerke, WU-Richtlinie, 2006-03
[R] 11 Richtlinie für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen, Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, DAfStb, 2001-10
[R] 12 Berichtigungen zur DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ 1. Berichtigung, Ausgabe Januar 2002, 2. Berichtigung, Ausgabe Dezember 2005
[R] 13 DGZfP: Merkblatt zur zerstörungsfreien Betondeckungsmessung und Bewehrungsortung an Stahl- und Spannbetonbauteilen, 04-2014
[R] 14 DIN EN 14630, Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren - Bestimmung der Karbonatisierungstiefe im Festbeton mit der Phenolphthalein-Prüfung; Deutsche Fassung EN 14630:2006, 2007-01
[R] 15 DIN EN 1504, Teile 1-9 „Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken, Definition, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität“
[R] 16 DIN V 18026: Oberflächenschutzsysteme für Beton aus Produkten nach DIN EN 1504-2: 2005-03 mit besonderen Eigenschaften, 2006-06
[R] 17 Meier: Der späte Zwang als unterschätzter -aber maßgebender Lastfall für die Bemessung, Beton- und Stahlbetonbau, 4-2012
[R] 18 Claus Flohrer: Grundlagen der WU-Konstruktion – von der Bedarfsermittlung zur optimalen Bauweise, Fachartikel der Bausachverständige 2016-01